Direkt zum Hauptbereich

Posts

New Leadership: Führung in digitalen Zeiten – Wie Digitalisierung, KI und Führung psychologisch zusammenspielen

Die digitale Transformation stellt nicht nur technische Systeme, sondern auch Menschen in Organisationen vor tiefgreifende Veränderungen. Dabei treten Digitalisierung, künstliche Intelligenz (KI) und neue Führungsstile nicht unabhängig voneinander auf, sondern bedingen sich gegenseitig. Aus psychologischer Perspektive ergeben sich dabei Chancen, aber auch Risiken, die nicht zuletzt von der Art der Führung beeinflusst werden. Digitale Technologien und KI-Systeme verändern die Arbeitswelt grundlegend – durch Automatisierung, datengetriebene Entscheidungen und neuartige Formen der Zusammenarbeit. Zugleich wird von Führungskräften erwartet, dass sie flexibel, partizipativ und werteorientiert führen. Dieses sogenannte „New Leadership“ umfasst unter anderem transformationale und agile Führungsansätze, die auf Vertrauen, Sinnstiftung und Selbstorganisation setzen (Bass & Riggio, 2006; Yukl, 2013). Damit reagiert New Leadership auf einen psychologischen Grundmechanismus: Menschen akzepti...
Letzte Posts

Der Benjamin-Franklin-Effekt – Warum Gefallen nicht nur verbinden, sondern überzeugen

Der Benjamin-Franklin-Effekt beschreibt die paradoxe psychologische Beobachtung, dass wir Menschen sympathischer finden, nachdem wir ihnen einen Gefallen erwiesen haben – nicht umgekehrt. Der Effekt widerspricht der Intuition, dass wir anderen nur dann helfen, wenn wir sie mögen. Stattdessen ändern wir unser Selbstbild und unsere Einstellung gegenüber der Person, um unser Verhalten nachträglich zu rechtfertigen. Der Effekt basiert auf Theorien der kognitiven Dissonanz und ist sowohl historisch belegt als auch empirisch gut untersucht. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Ursprünge, psychologischen Mechanismen und praktischen Anwendungen – von der Politik bis zum Teamwork. Historischer Ursprung Der Effekt geht auf eine Anekdote des amerikanischen Politikers und Erfinders Benjamin Franklin zurück. In seiner Autobiografie beschreibt er, wie er einen politischen Gegner für sich gewann, indem er ihn um das Ausleihen eines seltenen Buches bat . Nachdem dieser dem Wunsch entsprach, ent...

Der Begründungs-Effekt: Warum das Wörtchen „weil“ unsere Entscheidungen beeinflusst

Der Begründungs-Effekt beschreibt ein psychologisches Phänomen, bei dem Menschen dazu neigen, Aufforderungen eher nachzukommen, wenn eine Begründung folgt – unabhängig von deren inhaltlicher Qualität. Der Effekt wurde durch Ellen Langer und Robert Cialdini beschrieben und liefert faszinierende Einsichten für Kommunikation, Führung, Marketing und Verhaltenspsychologie. Der vorliegende Beitrag erläutert die experimentellen Grundlagen, psychologischen Mechanismen und praktischen Implikationen. Warum machen Menschen das, was man ihnen sagt? Eine erstaunlich einfache Antwort darauf lautet: weil man es begründet . Ob logisch oder nicht – das Wort „weil“ wirkt wie ein Schalter im Kopf. Diese Erkenntnis geht auf ein klassisches Experiment der Harvard-Psychologin Ellen Langer zurück und wurde später von Robert Cialdini im Kontext der „Weapons of Influence“ popularisiert. Das Ergebnis: Schon eine pseudo-rationale Begründung kann die Zustimmung zu einer Bitte signifikant erhöhen. Klassische...

Die Psychologie des Maker Space: Kreative Räume als Spiegel menschlicher Motivation, Kognition und sozialer Dynamik

Maker Spaces – also offene Werkstätten für gemeinsames Tüfteln, Gestalten und Experimentieren – sind weit mehr als technikaffine Bastelräume. Sie sind psychologisch hochwirksame Umgebungen, die eine Vielzahl grundlegender menschlicher Bedürfnisse ansprechen und dabei das Zusammenspiel von Motivation, Kognition, Identitätsentwicklung und sozialer Interaktion auf besondere Weise verdichten. Die psychologische Betrachtung solcher Räume eröffnet daher interessante Perspektiven für Bildung, Innovation, Empowerment und sogar therapeutische Intervention. Aus motivationspsychologischer Sicht sprechen Maker Spaces das Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit an – die drei zentralen Grundbedürfnisse der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (2000). Nutzerinnen und Nutzer erleben Selbstwirksamkeit durch die greifbare Umsetzung eigener Ideen, sie lernen im Flow (Csikszentmihalyi, 1990) und wachsen durch Rückschläge und Erfolge gleichermaßen. Der „Prototyp“ wird zum p...

Schutzhelm trifft Kontrollraum – Warum integrierte Sicherheit mehr ist als die Summe technischer Maßnahmen

Sicherheitsmanagement in industriellen Prozessen wird häufig dual gedacht: auf der einen Seite der technische Schutz von Anlagen, auf der anderen Seite der gesundheitliche Schutz von Mitarbeitenden. Diese Trennung mag historisch gewachsen und regulatorisch nachvollziehbar sein, sie steht jedoch einer ganzheitlichen Sicherheitskultur im Weg. Der vorliegende Beitrag diskutiert die strukturellen Ursachen dieser Fragmentierung, beleuchtet psychologische Implikationen und zeigt Wege zur Integration auf Basis von Human-Factors-Prinzipien und ergonomischer Systemgestaltung.   Strukturelle Fragmentierung: Zwei Systeme, ein Ziel – aber getrennte Wege Daten zu tödlichen und schweren Unfällen in Deutschland und der EU zeigen, dass sowohl im Bereich der Anlagensicherheit als auch im Arbeitsschutz signifikante Risiken bestehen. Dennoch sind Zuständigkeiten oft getrennt: Anlagensicherheit liegt in der Verantwortung technischer Abteilungen, Arbeitsschutz bei übergeordneten Stabsstellen. Diese in...

Der Barnum-Effekt – Psychologische Mechanismen selektiver Selbsttäuschung

Der Barnum-Effekt beschreibt die Tendenz von Menschen, unspezifische und allgemein gehaltene Aussagen über ihre Persönlichkeit als zutreffend zu akzeptieren. Dieser Effekt spielt eine zentrale Rolle in der Erklärung, warum Menschen an pseudowissenschaftliche Verfahren wie Horoskope, Graphologie oder bestimmte Persönlichkeitstests glauben. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die kognitiven, affektiven und sozialen Mechanismen hinter dem Effekt, diskutiert seine empirische Basis und zeigt Implikationen für Beratung, Diagnostik und KI-gestützte Systeme auf. 1. Einleitung „Sie sind eher introvertiert, schätzen jedoch gute Gespräche. Manchmal zweifeln Sie an sich, wirken nach außen aber sicher.“ – Aussagen wie diese erscheinen individuell, treffen jedoch statistisch auf fast jede Person zu. Der Barnum-Effekt – benannt nach dem amerikanischen Zirkusunternehmer P. T. Barnum, der angeblich „für jeden etwas“ im Programm hatte – beschreibt genau dieses psychologische Phänomen. Ursprünglich wur...

Vom Hobel zur Heuristik: Eine Human-Factors-Perspektive auf den Weg zur Mensch-KI-Kollaboration

Die Geschichte menschlicher Arbeit ist auch eine Geschichte der Mensch-Technik-Beziehung. Was einst mit Handwerk und Muskelkraft begann, hat sich über mehrere industrielle Revolutionen hinweg zu einer zunehmend kognitiv geprägten, datengetriebenen und algorithmisch unterstützten Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine entwickelt. In der aktuellen Phase digitaler Transformation – beschleunigt durch lernfähige Systeme – steht nun die Mensch-KI-Kollaboration im Zentrum. Dieser Artikel zeichnet diese Entwicklung aus der Perspektive der Human Factors nach und diskutiert, wie sich psychologische Anforderungen, Rollenbilder und Gestaltungsspielräume verändert haben – mit Implikationen für Entwickler und Manager. Von der Handarbeit zur Automatisierung In der vormodernen Handarbeit stand der Mensch im Mittelpunkt: Er war Gestalter, Ausführer und Kontrollinstanz zugleich. Werkzeuge dienten der Verlängerung individueller Fähigkeiten (Norman, 1988). Mit dem Übergang zur Manufaktur (Adam Smith...