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Gesellschaftliche Veränderungserschöpfung und die Krise der Fortschrittserzählung. Psychologische Perspektiven auf eine überforderte Moderne

Moderne Gesellschaften sind durch einen tiefgreifenden und anhaltenden Wandel gekennzeichnet. Technologischer Fortschritt, ökonomische Globalisierung, demografische Verschiebungen, ökologische Krisen und politische Umbrüche verändern soziale Strukturen, Arbeitswelten und individuelle Lebensverläufe in hoher Geschwindigkeit. Während Wandel historisch kein neues Phänomen ist, verdichten sich gegenwärtig Umfang, Taktung und Gleichzeitigkeit von Veränderungen in einer Weise, die für Individuen und Gesellschaften zunehmend schwer integrierbar erscheint. In diesem Kontext wird immer häufiger von einer gesellschaftlichen „Veränderungserschöpfung“ gesprochen, die eng mit einer Krise der klassischen Fortschrittserzählung verknüpft ist. Der Begriff der Veränderungserschöpfung beschreibt einen psychologischen Zustand kollektiver Überforderung, der entsteht, wenn kontinuierlicher Wandel nicht mehr als gestaltbar, sondern als überwältigend, fremdbestimmt und kaum noch bewältigbar erlebt wird. Im Un...
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KI-Potenzial: Schluss mit Dekorativ, Zeit für Substanz

Künstliche Intelligenz (KI) birgt ein enormes, noch nicht voll ausgeschöpftes Potenzial, um substanziell zur Bewältigung der größten globalen Krisen – Klimawandel, Bedrohung der Demokratie und Recht des Stärkeren – beizutragen, anstatt sich auf rein dekorative Anwendungen zu beschränken. Hier sind einige Bereiche, in denen KI bereits heute oder in naher Zukunft einen wesentlichen Unterschied machen kann: 🌍 KI im Kampf gegen den Klimawandel KI ist ein entscheidender Hebel für den Klima- und Umweltschutz, insbesondere durch ihre Fähigkeit, immense Datenmengen zu verarbeiten und komplexe Systeme zu optimieren.  * Klima- und Umweltanalysen:    * KI kann Satelliten-, Drohnen- und Sensordaten in beispiellosem Umfang auswerten, um Zusammenhänge, Prognosen und Wechselwirkungen klimatischer Veränderungen zu erkennen (z. B. Modellierung des Klimasystems).    * Dies liefert fundierte Entscheidungsgrundlagen und Frühwarnsysteme für Regierungen und NGOs, um Schutz- und Anpa...

Wenn die Techlords im Wohnzimmer sitzen

Harald wollte eigentlich nur gemütlich auf dem Sofa sitzen und ein Stück Streuselkuchen essen, als plötzlich ein dezentes Pling ertönte. Es war das Pling, das moderne Menschen zwar schon tausendmal gehört, aber nie vollständig verarbeitet haben. Es klang nach neuem Paket, neuer Nachricht, neuer Weltherrschaft. „Amazon“, murmelte Harald, „du schon wieder?“ Er öffnete die Haustür – niemand da. Nur ein Paket. Darauf stand: „Vorsicht: enthält algorithmische Optimierung. Nicht schütteln.“ Harald trug es ins Wohnzimmer, setzte sich wieder hin und beschloss, den Streuselkuchen notfalls gegen die algorithmische Optimierung zu verteidigen. Kaum öffnete er den Karton, sprang ein kleiner, glänzender Würfel heraus und setzte sich selbstbewusst mitten auf den Wohnzimmertisch. „Guten Abend“, sagte der Würfel. „Ich bin Ihr persönlicher Convenience-Enhancer. Ich optimiere alles. Immer.“ „Ich wollte nur Kuchen essen“, antwortete Harald vorsichtig. „Hervorragende Entscheidung“, sagte der Würfel. „Ich we...

Digitale Tools als Trophäen: Psychologische Hintergründe eines fragmentierten Führungsverhaltens

In der Unternehmenspraxis ist zu beobachten, dass manche Manager digitale Tools, Beratungsangebote oder Methoden wie Trophäen sammeln – sie engagieren nacheinander namhafte Beratungsfirmen, Produktivitätscoaches und nun auch KI-Anwendungen wie ChatGPT. Diese Maßnahmen bleiben oft stückwerkhaft und werden nicht in ein konsistentes Führungs- oder Transformationsverständnis integriert. Das Resultat sind Buzzwords statt echter Veränderung: Immer neue Initiativen werden gestartet, ohne dass ein roter Faden erkennbar ist. Warum aber greifen manche Führungskräfte ständig nach dem neuesten „Heilsbringer“? Aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht lassen sich verschiedene psychologische Mechanismen und organisationale Faktoren identifizieren, die dieses Verhalten erklären. Dazu zählen u.a. Statusstreben und Selbstwertregulation, Angst vor Kontrollverlust, symbolische Politik, geringe Selbstwirksamkeit, Führungsunsicherheit und externe Steuerung. Auch die Organisationskultur, der Stand...